(…) Sie sagen nichts. Denn während die Versammlung ihren Lauf nimmt, haben Sie ein Stück Kohle genommen und auf einem Brett haben Sie etwas gezeichnet, was gut ein Portrait der Versammlung sein könnte. So etwas wie eine Gesamtschau, ein Panoramablick, ohne Smartphone der letzten Generation, CAPAZ-Betriebssystem oder AI. Daher sagen Sie nichts, nehmen lediglich das Brett und reichen es an die Person neben Ihnen weiter.
Es geht reihum an alle, die teilnehmen und sie flüstern in einer nicht zu verstehenden Sprache. Dann bemerken Sie: An ihrer Seite ist ein Mädchen, drei oder vier Jahre alt, das Sie neugierig fixiert. Sie tun das, was alle Erwachsenen in einer unbequemen Lage mit einem Kind tun, Sie fragen es: »Wie heißt du?« Das Mädchen antwortet nicht, es schaut Sie weiter an, ohne Angst. Sie wenden sich ab und versuchen zu lokalisieren, wo sich gerade das Brett mit der Panorama-Zeichnung befindet. Sie denken daran, es in Ihre »Mappe« oder in Ihr »Curriculum« aufzunehmen, denn eine weiß ja nie. Kann ja sein, Sie müssen auf einen widersprüchlichen Marx treffen, der sie für Ihre Zeichnungen nicht bezahlen will, Ihnen jedoch stattdessen ein Diplom gewährt.
Das Mädchen neben Ihnen hat jetzt ein Brettchen und ein kleines Stück Kohle, es überreicht Ihnen beides und sagt: »Meine kleine Katze ging verloren.« Sie sind verblüfft, aber da Sie durchschnittlich intelligent sind und annehmen, das Mädchen möchte, dass sie so etwas wie ein Suchplakat zeichnen sollen, fragen Sie es: »Und wie ist deine kleine Katze?« Das Mädchen lächelt, weil es merkt, Sie haben das Prinzipielle begriffen, somit geht es ins Detail: »Mein kleiner Hund hat gelbe Augen.«
Was jetzt folgt, ist ein Hin und Her, was zu keinem Ergebnis kommt: »Aber du hast doch gesagt, es ist eine kleine Katze.« »Das ist dasselbe.« »Nein, das ist nicht dasselbe; das eine sind Katzen, das andere Hunde.« »Ist es wohl.« »Nein, ist es nicht.« Das Mädchen gibt Ihnen ohne Absicht eine Lektion in Inklusion und macht Ihnen klar: »Es ist doch ein Katze-Hund. Aber nicht irgendeiner. Mein Katze-Hund hat gelbe Augen. Und zwar so«, und das Mädchen schließt seine Augen halb, damit Sie verstehen, der Blick seiner Augen wird gerade gelb.
Da Ihr Panoramabild – produziert mit Betriebssystem »La Migaja/Die Überbleibsel. Version 7 Potenz n« – bereits verlorenging, beginnen Sie ein kleines Tier zu zeichnen, dabei den Instruktionen des Mädchens folgend, welches selbst mit den Farben hantiert, sowie Pfoten, Körper, Schwanz und Gesicht korrigiert. Als Ihre Zeichnung fertig ist, sehen Sie, es könnte wirklich das Abbild eines Hundes …, einer Katze … oder eines Katze-Hund sein. Das Mädchen betrachtet beifällig die Zeichnung, doch Sie wissen, für ein Suchplakat fehlen noch die Daten, somit fragen Sie es: »Wo ging er/sie verloren?« Das Mädchen lacht, während es zur Antwort gibt. »Was heißt hier verloren. Er/sie hat mich schon gefunden. Das ist, weil du mit dem Foto so langsam warst.«
Das Mädchen zieht los, mit einem kleinen Tier im Arm, das wirklich ein Hund oder eine Katze … oder beides sein könnte (…)
(aus: EZLN: Zum Thema: Der Sturm und der Tag Danach. Dritter Teil)