Praktischer Internationalismus auf zapatistischem Gebiet

Wer praktischen Internationalismus auf zapatistischem Gebiet erleben und einen Eindruck von den basisdemokratischen Selbstverwaltungsstrukturen in Chiapas bekommen möchte, hat nun die Möglichkeit, an einem internationalistischen Austausch teilzunehmen.

ANF-Artikel vom 10. Oktober 2022

Vor genau einem Jahr waren zum ersten Mal Gruppen von Zapatistas aus Chiapas, Mexiko zum direkten Austausch im „Anderen Europa von unten und links“, auch in Deutschland. Im Rahmen der von der EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional) initiierten Initiative „Reise für das Leben“ gab es Treffen mit den unterschiedlichsten Gruppen und Bewegungen: unter anderem mit der kurdischen Frauenbewegung, FLINTA*-Gruppen, migrantischen und Geflüchteten-Kollektiven, Initiativen der solidarischen Landwirtschaft, der Klimagerechtigkeitsbewegungen. Einige Aktionen wurden gemeinsam durchgeführt, wie die antikolonialistische und internationalistische Demonstration am 13. August 2021 in Madrid und die globale Klimastreik-Mobilisierung im September 2021 in Wien. Am 7. März dieses Jahres rief die EZLN zu einem „Globalen Aktionstag gegen alle kapitalistischen Kriege“ auf. Wie auch der Congreso Nacional Indígena, die größte Organisation der Pueblos originarios in Mexiko – jetzt ganz aktuell – dazu aufruft, sich weltweit am 12. Oktober 2022 zu mobilisieren: gegen alle kapitalistischen und patriarchalen Kriege, den Krieg gegen die indigenen Bevölkerungen weltweit und in Mexiko, gegen den paramilitärischen und militärischen Krieg gegen die EZLN und die zapatistischen Gemeinden in Chiapas, Mexiko.

Paramilitärische Angriffe auf Zapatistas

Denn die Zapatistas wie auch andere Pueblos, die ihre Autonomie aufbauen und weiter fortsetzen, sind in ganz Mexiko den heftigsten Angriffen seit Jahren durch paramilitärische Gruppen und Banden des organisierten Verbrechens ausgesetzt – dies alles vor dem Hintergrund der gewaltsamen Durchsetzung von Mega-Projekten, wie etwa der sogenannte „Tren Maya“, die Mensch und Natur für den Profit des transnationalen Kapitals vernutzen und damit zerstören wollen.

Internationale Besuche eine Liebe zum Leben

Viele in Europa haben sich während wie auch nach der zapatistischen „Reise für das Leben“ im anderen Europa gefragt, wie wir uns mit den zapatistischen Pueblos, mit der EZLN konkret verbinden können, heißt: gegenseitig solidarisch, sie beim weiteren Aufbau ihrer Autonomie unterstützen. Während ihres Aufenthaltes in Europa sagte der zapatistische Compañero Bernal – Teilnehmender der „zapatistischen Reconquista“ im Juni 2021 in Vigo – wo die*der Compañeroa Marijose, im Namen der EZLN, Europa in SLUMIL K´AJXEMK´OP – „Aufständiges Land“ umbenannte: „Für uns stellen die internationalen Besuche eine Liebe zum Leben dar […] Durch sie erfahren wir im Austausch von anderen Kämpfen […] und dass in anderen Teilen der Welt auch Andere kämpfen.“

Internationalistisches Wandbild im Caracol Oventik | Foto: colectivo gata-gata

Räte der guten Regierung setzen Selbstverwaltung um

Ein Beispiel für konkrete internationalistische Praxis – neben der wichtigen, notwendigen Menschenrechtsarbeit, die in Chiapas seit vielen Jahren gemeinsam umgesetzt wird, und neuen Initiativen wie die Kampagne gegen den Tren Maya und andere Mega-Projekte – ist das Centro de Español y Lenguas Mayas Rebelde Autónomo Zapatista (CELMRAZ) – Zapatistisches Rebellisches Autonomes Zentrum für Spanisch und Maya-Sprachen – im zapatistischen Caracol II von Oventik, in den Altos de Chiapas. Es ist Teil des autonomen zapatistischen Bildungsbereichs und wurde 2001, also vor gut 20 Jahren gegründet. Seitdem können Internacionalistas aus aller Welt, wenn sie zuvor von autorisierten Kollektiven und Organisationen dazu vorbereitet wurden, im Caracol von Oventik in einen direkten Austausch mit Zapatistas treten und dort die konkrete zapatistische Autonomie direkt kennenlernen. Die Caracoles, wie auch das Caracol II von Oventik, sind die Orte, wo die autonome basisdemokratische Selbstregierung mittels der „Räte der guten Regierung“ umgesetzt wird. In Oventik befinden sich die autonome Klinik mit ihren zapatistischen Gesundheitsbeauftragten, eine autonome weiterführende zapatistische Schule, um nur einige autonome Organisierungsbereiche zu benennen. Im CELMRAZ findet der Austausch mittels Sprache lernen (Vertiefung des Spanischen oder Lernen von Tsotsil, einer der Maya-Sprachen, die in dieser Region, den Altos de Chiapas, gesprochen wird), unter anderem mittels des Diskutierens zapatistischer Texte statt. Jedoch bleibt es nicht bei der Theorie, denn „ganz zapatistisch“ geht es gleichzeitig auch um eine gemeinsame Praxis: Feldarbeiten, Aktivitäten mit den zapatistischen Bildungsbeauftragten und den Schüler:innen der weiterführenden autonomen Schule, gemeinsam singen, tanzen, ein wenig die alltägliche Arbeiten der zapatistischen Gemeinschaften ganz praktisch kennenlernen, indem gemeinsam Tortillas gebacken werden oder gewebt wird, und und und …

Internacionalistas unterstützen Aufbau des zapatistischen Bildungsbereichs

Mit dem Aufenthalt als Internacionalistas unterstützen wir ganz konkret auch materiell den weiteren Aufbau des zapatistischen Bildungsbereichs, indem wir für den Sprachunterricht einen ökonomischen Beitrag leisten und unterstützen die zapatistische Autonomie nach unserem Aufenthalt, indem wir unsere dort gemachten Erfahrungen in unseren Geographien öffentlich weiterverbreiten und mit anderen kollektiv teilen. Das ist auch der praktische Sinn und Zweck des internationalistischen Aufenthalts im CELMRAZ, Caracol II von Oventik. Wie die Compañer@s des CELMRAZ auf ihrer Website selbst schreiben: „Wir machen aus der Sprache keine weitere Ware; wir verkaufen sie nicht, sondern teilen sie mit allen, die für diese bildungskulturelle Erfahrung offen sind und sich mit unserem antikapitalistischen Kampf für die Verteidigung des Lebens und für eine Welt, in die viele Welten passen, identifizieren.“ Und: „Von vorneherein sind viele Gespräche, kollektive Reflexionen und Diskussionen garantiert, denn das Anliegen aller, die zur Schule kommen, besteht ja darin, ihre Erfahrungen, Kämpfe u.a. auszutauschen.“

Anmeldungen bis zum 16. Oktober

Compañer@s, die an solch einem internationalistischen Austausch teilnehmen möchten, finden auf der Website des CELMRAZ mehr Informationen: https://www.serazln-altos.org/celmraz_de.html und unter https://balumil.blackblogs.org. Neue Balumil-Vorbereitungsseminare für einen Aufenthalt im CELMRAZ im Caracol II von Oventik beginnen jetzt wieder am 22. Oktober. Dazu angemeldet werden kann sich bis zum 16. Oktober auf https://balumil.blackblogs.org/aktuelles/.

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Update Juli 2023

Die nächsten Balumil-Seminare finden an folgenden Wochenenden im Herbst/Winter 2023 statt und bauen aufeinander auf:

  • 20.10. – 22.10.23: Zapatistische Autonomie
  • 10.11. – 12.11.23: Zapatismus – Internationalismus
  • 01.12. – 03.12.23: »Wir und die Anderen – Die anderen Wir?«

Bei Interesse meldet Euch bis zum 8. Oktober 2023 bei uns per Mail dann erhaltet Ihr alle weiteren Informationen.